Gill James Francis

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Biografie - James Francis Gill
© Jo Goertz
James Francis Gill ist einer der letzten noch lebenden US-amerikanischen Pop Art Künstler der ersten Stunde.
Bereits 1962 nahm das New Yorker Museum of Modern Art sein aus drei Tafeln bestehendes Gemälde "Marilyn Triptych" in seine ständige Sammlung auf. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere zog sich Gill 1972 zurück, um erst nach rund 30 Jahren wieder im Kunstmarkt zu erscheinen.
Leben
Gill wurde 1934 in Tahoka, Texas, geboren. Er wuchs in San Angelo, Texas, auf. Schon in seiner Kindheit förderte seine Mutter, eine Innenarchitektin, sein künstlerisches Interesse. In der High School gründete Gill mit Freunden einen Rodeo-Club, um seinen Traum Cowboy zu werden, zu verwirklichen. Während seines Wehrdienstes bei den "Marines" arbeitete Gill als Bauzeichner und entwarf Poster. Zurück in Texas setzte er seine Ausbildung am San Angelo College fort und arbeitete für ein namhaftes Architekturbüro.
Von 1956 bis 1960 studierte Gill Architektur, und arbeitete im Bereich Architektur-Design in Odessa/TX und Midland/TX. 1960/1961 studierte er im Rahmen eines Stipendiums an der Universität von Austin/TX Malerei. Ab diesem Zeitpunkt konzentrierte er sich vermehrt auf seine künstlerische Laufbahn.
1962 zog er nach Los Angeles um. Im Gepäck zahlreiche Kunstwerke, darunter die "Women in Cars", die er in der Felix Landau Gallery vorstellte. Felix Landau nahm ihn daraufhin sofort unter Vertrag. Landau galt zu dieser Zeit als einer der einflussreichsten Galeristen der USA, mit Galerien an der West- und Ostküste. Bereits im November 1962, nur einen Monat nachdem er nach L.A. gekommen war, erreichte Gill internationale Anerkennung, als das Museum of Modern Art in New York sein dreiteiliges Marilyn Monroe Bild "Marilyn Triptych" in seine Sammlung aufnahm. Das Marilyn Triptych stellt ein zentrales Werk im
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Gesamtwerk von James Gill dar. Seine Zeichnung "Laughing Woman in Car and Close-up" wurde vom Museum of Modern Art zwischen Zeichnungen von Picasso und Odilon Redon gezeigt.
1965 lehrte Gill an der Universität von Idaho Malerei. Seine Werke waren in diesen Jahren oft bedrückend und düster in Farbton und Stimmung. Hauptthema seiner Arbeiten war gesellschaftliches und politisches Zeitgeschehen wie zum Beispiel der Vietnamkrieg. Es entstand eine Serie Antikriegsbilder von zivilen und militärischen Führungspersönlichkeiten. Der Schriftsteller William Inge kommentierte: "Gill stellt Personen mit hohem öffentlichem Ruhm dar, die momentan in einer schändlichen Entscheidungslage stecken und dabei sind, ihr politisches oder berufliches Ansehen zu zerstören." 1966 wurde Gill zudem von der Navy eingeladen, am "Navy Art Cooperation and Liaison program" teilzunehmen. Zu diesem Zweck wurde er an Bord des Flugzeugträgers U.S.S. Enterprise eingeladen, um dort zu malen. Es entstand das Werk "Sincerely Disturbed (Danger)", welches sich noch heute in der Sammlung der Navy Art Collection, Washington, befindet.
Ab 1965 experimentierte Gill eigenständig mit verschiedenen Drucktechniken. Die Druckplatten für seine kleine Tischpresse stellte er dabei selbst her. In dieser Zeit begegnete er Kenneth Tyler. Mit ihm zusammen druckte Gill am "Tamarind Litograph Institute", Los Angeles, im Steindruckverfahren. Sie entwarfen zusammen Druckplatten und experimentierten mit verschiedenen Verfahrensweisen. Kurz darauf gründete Tyler die Gemini G.E.L. und gilt seitdem in den USA als Maßstab beim Druck von limitierten Editionen. Er druckte unter anderem für Frank Stella, David Hockney und Roy Lichtenstein.
1967 zeigte die "Sao Paulo 9 –; Environment USA: 1957–;1967" in Brasilien Gills Kunstwerke zusammen mit Künstlern wie Andy Warhol und Edward Hopper. Diese Ausstellung unterstrich Gills Platz in der internationalen Welt der Kunst. Seine Kunstwerke wurden daraufhin in die Sammlungen weiterer bedeutender Museen aufgenommen.
Im gleichen Jahr beauftragte ihn das Time Magazine, den Russen Alexander Solzhenitsyn zu porträtieren, der gerade aus einem russischen Arbeitslager geflohen war. Gill malte das Portrait in Form eines vierteiligen Altarbildes. Die Figur verwandelt sich von einem gesichtslosen in einen lächelnden Mann, der seine Freiheit zurückgewonnen hat. Das Werk hing danach rund fünf Jahre in der Empfangshalle des Time Life-Gebäudes.
Gills Quellen kamen immer aus der Gegenwart. Seine Anerkennung als Künstler gründete sich nicht nur auf die Porträts berühmter Persönlichkeiten wie John F. Kennedy, Marilyn Monroe und den Beatles, sondern in großem Maße auf seine Werke, die den politischen Machtapparat und den Krieg an sich in Frage stellten. Ein wichtiges Werk aus dieser Zeit sind die "Political Prisoner". Die Reihe zeigt die Silhouette einer schwangeren Frau. Ihr Körper ist das Symbol für die Langlebigkeit der Menschen und für die Möglichkeit eines neuen Anfangs einer jeden Generation, befreit von den Fehlern der Elterngeneration. Aber gleichzeitig plakatiert Gill unzweifelhaft, dass das ungeborene Leben schon gefangen ist. Gill: "Jeder Mensch ist ein politischer Gefangener. Ein Gefangener eines Systems, in das er hineingeboren wurde."
1969 lehrte Gill an der Universität von Kalifornien in Irvine und 1970 bot man ihm eine Gastprofessur an der Universität von Oregon in Eugene an. Jetzt befand sich Gill auf dem Höhepunkt seiner Karriere und war sehr populär in der Pop Art Szene. Doch sahen viele Zeitgenossen in seinen Werken einen tiefgründigen und vielschichtigen Sinn, mehr als die Pop Art auszudrücken beabsichtigte. "…Gill ist ein prominenter Künstler der Pop Art, obwohl er zu sehr Maler ist und mit seinen Themen in einer sehr emotional aufgeladenen Art umgeht, als nur als ein Pop Art Künstler zu gelten…", schrieb der Los Angeles Times Art Editor Henry J. Seldis in der Ausgabe vom 8. November 1965.
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1972 zog er sich überraschend in ein selbst auferlegtes Exil zurück, in der Annahme eine Art Fernbeziehung mit der Kunstszene aufrechterhalten zu können. Er wollte seine künstlerische Ausdrucksform weiterentwickeln, ohne den Zwängen der materiellen Welt ausgeliefert zu sein. Gill: "In jenen Tagen war ich fix und fertig durch den Ruhm und das Dilemma des "Political Prisoners". Ich hatte persönliche Probleme und als ich dann Kaliforniens Küste entlangfuhr, war ich von der Schönheit der Natur total beeindruckt." Nach dem Lehrsemester in Oregon verkaufte er sein Haus sowie zahlreiche Bilder und Zeichnungen, um sich Land und ein Haus in Whale Gulch im kalifornischen Grenzland kaufen zu können.
1979 kehrte Gill nach Texas zurück. Er entwickelte seine künstlerische Ausdruckskraft weiter, jedoch ohne die Zwänge der materiellen Welt. Er hörte nie auf zu malen. Auch zeigte er seine Werke bis Mitte der 90er Jahre nie der Öffentlichkeit.
Um 1987 begann Gill, mit den Instrumenten des Computerdesigns zu arbeiten und den Computer und den Drucker als Zeichenwerkzeug zu benutzen.
Sein Leben änderte sich 1997 schlagartig, als ihn Professor David McCarthy im Auftrag des Kunstmagazins "American Art" des Smithsonian American Art Museums anrief und um ein Interview bat. Dies markierte den Beginn seiner Wiederentdeckung, in deren Folge zahlreiche Galerien und Museen erneut auf ihn aufmerksam wurden.
2005 fand eine Retrospektive in seiner Heimatstadt San Angelo im Museum of Fine Arts statt.
Ab etwa 2007 beginnt Gills späte kreative Phase, in der er sich –; im Gegensatz zu den im frühen Werk dominierenden politischen Motiven –; wieder verstärkt auf die Darstellung klassischer Pop Art-Ikonen wie John Wayne, Paul Newman oder Marilyn Monroe konzentriert. So entstehen zahlreiche Werke der US-amerikanischen Filmschauspielerin, die seit seinem frühen Erfolg mit dem Werk "Marilyn-Triptych" (welches noch vor den Werken von Andy Warhol in die Sammlung des Museum of Modern Art aufgenommen wurde) eine ungebrochene Faszination auf ihn ausübt und den zentralen Dreh- und Angelpunkt seines Spätwerkes ausmacht.
Durch persönliche Freundschaften und Bekanntschaften mit Tony Curtis, Kirk Douglas, John Wayne, Jim Morrison, Martin Luther King oder Marlon Brando ist Gill als Künstler Zeitzeuge einer ganzen Generation geworden. Diese Persönlichkeiten prägten auch inhaltlich das Werk Gills, das er durch verschiedene Techniken und Kompositionen vermittelt.
Die Kunst von James Gill ist heute ist eine Verschmelzung von Realismus und Abstraktion. Fotos sind weiterhin Grundlage seiner Kunstwerke. Die Bildkomposition seiner Gemälde legt er nun am Computer fest und arbeitet dabei bewusst mit Montageeffekten, die er als "Metamage" oder "Pop Surrealism" bezeichnet.
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Werke in öffentlichen Sammlungen
 Museum of Modern Art, NY
 Whitney Museum of American Art, NY
 Berkeley Art Museum, University of California, Berkeley/CA
 Smithsonian American Art Museum, Washington, D.C.
 National Portrait Gallery, Washington, D.C.
 Stanford University Center for Visual Arts, CA
 San Angelo Museum of Fine Arts, San Angelo, TX
 Santa Barbara Museum of Fine Art, Santa Barbara, CA
 The Art Institute of Chicago, Chicago, Illinois
 National Museum of the U.S. Navy, Washington D.C.
 Museum moderner Kunst der Stiftung Ludwig, Wien, Österreich
 Museum Neue Galerie, Kassel, Deutschland
Einige private Sammlungen:
 John und Dominique De Menil
 Louis Kaufman (Violinist) und Dr. Annette Kaufman
 Marlo Thomas, Schauspielerin
 William Inge, Schrifststeller
 Dennis Hopper, Schauspieler
 Dr. William Emboden, Kunstkritiker
 Felix Landau, Galerist
 Jack Hirschmann, Dichter
 John Wayne, Schauspieler - Auftragsarbeit
 Tony Curtis, Schauspieler - Auftragsarbeit
 Hans Eichel, Bundesfinanzminister a.D.
 Kreissparkasse Heilbronn


Presseinformation
Interview mit James Francis Gill
James Gill, wenn Sie heute zurückblicken –; warum haben Sie in den frühen 70er-Jahren mit dem Malen aufgehört?
1970 bot man mir eine Gastprofessur an der University of Oregon an. Ich war damals fix und fertig durch den Ruhm, die vielen Cocktailpartys und das ausschweifende Leben in Hollywood. Auf dem Weg nach Oregon fuhr ich durch die Redwoods und war überwältigt von der Schönheit der Natur. Ich entschloss mich dem Smog von L.A. zu entfliehen und erwarb ein Stück Land mitten im Nirgendwo von Nordkalifornien. Dort fällte ich Bäume und nutzte sie als Bauholz für mein eigenes Haus. Ich legte einen See und Straßen an und schloss mich einer Künstlerkommune an. Ich fühlte mich dort rundum wohl. Die Glamour-Welt von Hollywood verlor mehr und mehr an Bedeutung für mich.
Und warum haben Sie wieder angefangen?
Mitte der 80er fing ich wieder an zu malen, jedoch ohne meine Werke zu vermarkten. Ich experimentierte mit dem Computer, um einen ganz neuen Ansatz in meinem Gesamtwerk zu entwickeln.
Warum sind Sie so kreativ?
Ich bin seit mehr als 70 Jahren Künstler und habe trotzdem noch so viele Ideen in meinem Kopf, die ich alle noch gerne auf die Leinwand bringen würde. Ich verarbeite Dinge, die um mich herum geschehen, Dinge die ich sehe, höre und über die ich etwas lese. Erstaunlicherweise ist es oft auch so, dass meine eigenen Kunstwerke mich zu weiteren Werken inspirieren.
Gab es einen speziellen Moment in Ihrer Rückzugsphase, der zu Ihrem Comeback führte?
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Mitte der 90er rief mich ein Journalist des Kunstmagazins "American Art" (herausgegeben vom Smithsonian American Art Museum) an und bat mich um ein Interview. Dies war der Beginn meiner Wiederentdeckung.
Wodurch unterscheiden sich die heutigen Arbeiten von denen aus den 60er Jahren?
Die Werke, die in den 60er Jahren entstanden, waren stark politisch geprägt. Ich war und bin auch heute noch gegen Krieg. Doch aktuell konzentriere ich mich darauf schöne Dinge auf die Leinwand zu bringen: formvollendete Frauenportraits, begehrenswerte Lippen, fröhliche und farbenfrohe Gemälde.
Haben politische Ereignisse und Krieg heute trotzdem noch Einfluss auf Ihre Arbeit?
Die politisch geprägten Werke, die ich in den letzten Jahren gemalt habe, wurden relativ schnell verkauft. Ja, ich will auch weiterhin politische Themen aufgreifen und auf die Leinwand bringen.
Berühmt wurden Sie durch Ihr ′Marilyn Triptych′, welches seit 1962 bis heute zur ständigen Sammlung des Museum of Modern Art in New York zählt. Warum spielt Marilyn Monroe bis heute eine so große Rolle bei Ihren Werken?
Ich liebe es Marilyn Monroe in immer wieder neuen Variationen zu malen. Die Sammler, die meine Werke kaufen, lieben meine Marilyn-Arbeiten. Es kommt oft vor, dass ich speziell nach neuen Marilyn-Motiven angefragt werde.



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