Alt,Otmar

OTMAR ALT www.galerie-wehr.de

Maler. Plastiker, Zeichner. Otmar Alt ist einer der bekanntesten, populärsten, gefragtesten Künstler in den deutschen Landen und weit über die Grenzen hinaus. Mehr als 150 Einzelausstellungen seit 1915 konnte er verbuchen, von Berlin, Hamburg, Frankfurt bis Zürich, Basel, Bem, von London, Amsterdam, Athen, Ankara bis New York, Los Angeles, Montreal, Toronto. Für Düsseldorf hat ihn schon 1967 die Galerie Niepel entdeckt. Die Düsseldorfer Kunsthalle (1972) und der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen (1977) stellten ausführlich seine Bilder und Plastiken vor.
Eine stolze Bilanz, die Otmar Alt nicht nur seinen künstlerischen Rang, sondern auch Geschick bescheinigt, seine in den Gärten poetischer Phantastik sprießenden vitalen Geschöpfe in die Welt zu entlassen, sein Werk unter die Leute zu bringen. "Die Kunst darf nicht nur ausschließlich für' einen Idl~ivel1 Kreis gem:lcht werden. Sie muß annehmhar sein fiir viele. Meine Ider sollen vielschichtig heriihrhar ,",cin", meint er. Wer wiirdc sich nicht f 11 von "Otli" duzlI hekehren lassen, di.lU eine optimistische Sicht dieses Iseins <llIc01al reiche lind schm<lckhafte FrÜchte triigt: von ,einem also, der , leidigen Schattenseilen des Lehens so erfolgreich mit der~ Heiterkeit der ,d.,en, der unermÜdlichen neuen Formerfindung und -wandlung attak­'11'1
Mit der Natm und ihren schÜpferischen Kräften weiß sich Otmar Alt it'llh:n eins. Doch Achtung! ein hil.chen Verwirrspiel ist hci ihm immer hei. Die Gewiil.::hsc, die er in seinen verwunschenen Plantagen ztkhtcl, sind I if!inale im Eigenhau. und seihst im Paradies hat es solche skurrilen Wesen Id Mischlinge nicht gegehen. Dieser "Mondgrillentaucher" - so der Titel ",er Ausstellung (1974) in der Orangerie Dlisseldorf-Renralh - verhindet die 'reiche des Ober- und Unterirdischen im Flug, und seine Bilder und Figuren fllen uns wieder Gefilde des Unhewußtcn, die wir verdrängt hahen.
norl verhergen sich wohl allch solche vorgehurtlichen Erinnerungen an F~arlismcn, in denen Pflanze, Tier und MensC.'h noch ineilHlTuler verwohen .t1 alle MÖglichkeiten der Oestnltwerdnng noch offen sind, wie in den Izzle- und Form-Spielen Alts: "Meine Rilder knnn man uuch wie Landschaf­1I hetradltcn, in die man hineinwandert wie in Lithyrinthe, die nicht mit 11l'm Blick zu Ühersf,'huuen sind." Doch wie einst im Irrgarten des Minotau­..; giht es auch hier einen Ariadne-Fi:ulen, mit dem man hinein- und wieder 1'il1isfil1llet, denn jedes Bild hat seine eigene Prnhiemstellllng.
Machen wir uns also hei aller Liebe zum Leichten, Bunten, humorig 'Islvollen. ironisch Erotischen lind Fahulilscl1, ins Spiel Verliehten der hlncrischen Kreationen Otl1lHr Alts nich1s vor. Hier geht es meist um mehr , um virtuos inszcniertcn karncvtllisti,'ichen Klamiluk, um eine harmlos­IIntere poppig aufgemachte Märchenwelt, hnlh Disney-Li:lOd, halh deu1!iche aldromantik, in der man sich vor ernsthafter Prohlematik einfach verstek­11 kann. Alt: "Ich hane mich anslecken, aher nie manipulieren lassen. Ich Il·he auch heute noch immer den eigenen Kern zu treffen. Nicht alles ist da ;tcr. Die signalhlll"ten. positiven Farben sind Zeichen, um an das Thema ·nll1zufÜhren. Die frÖhlichen hewegten Themen verstehe ich als Gegenpol Ir Grm.I\'crtigkcit von heute, Es gibt aher auch Mord und Totschlag in ,'incn Bildern, Das kleine Weiß wird oft vom großen Schwarz verschlungen, lS ich anch als wesentliche FlUhe einsetze."
In der Tat: wenige kennen den lustigen hunten Vogel Otmar Alt wirklich.
Ich hin nie ein eigentlicher Pop-Maler gewesen", hetonte er in unserem esprÜch, "Ich hin aher auch kein Miirchen- und Mythenmaler, meine lalerci ist eigenstiindig. Sie entwickelt sich alls den sehr spontanen Konturen 'l"illiS und hat tlnrin einiges vom späten Mlltisse, von Arp, Picasso, ;lmlinsky <lufgem)J11men. Die Bilder crz~ihlen etWas. Eigene Erlehnisse ~'rden darin verarheitet. Ich hin Sammler, der irgendwelche Dinge findet, rgrfiht und sic:h dnes Tages mit ihnen in einem Bild, einer Plastik l'icinllndcrsetzt, doch keineswegs illustrativ, Ich hahe eher Spnß damn, die 'llte etwas allf die verkehrte SpUl' zu setzen. Ich mcine auch nicht das einfach lakativc, sondern versuche, lInter die Hallt der Dinge zu kommen im IIIgang mit Menschen, Tieren, Pflal17:ell. Umwelt."
Poliakoff mil seinen in der FHiche verzahnten ahstrakten farbelementen ar für ihn zweifellos wichlig, wie Überhaupt die Ecole de Paris hesonders in incrt sehr lyrischen. vegetabilen, halhahstrakten Bildern der sechziger Jahre Ichwirkt. Aher im Grunde hat sich dt=r 1940 in Wernigerode im Harz ,horene KÜnstler immer als "figürlich denkenden" Maler und in zweiter Istanz Pl,lstiker cmpfunden. Doch wic sein Studium an der Berliner ll'istel"schulc fiir das Kunsthilllllwcrk (195<)) und ml der IIt)chschulc der iltlclHlcn KÜnsle in Ikrlin hei Ilcrmann Bachmann (1960-1966) in .jene Zeit ''i kÜnstlerischen Umhruchs von der informellen Kunst zu einer in der Pop tl wicdel'l.,ekhtl.'11 Figuration fiel. so ist die eigenHimliche Melange 1wist'hen Illt'r (Jrganisch-vf..'gdativcn. 'lI1ill1illischell. menschlichen, dinglichen Formcn­l'll und ihrer phantastisch deformierenden, ineinander verschlungenen und Izahnlen, lHichig-olllclgcnh<lhcn Ahstraktiof1 ge.ralle das reizvollc hmnale

Prohlem, das sich in diesen Bildern stellt. O'I11<.r Alt hat es erfindungsrekl hÖchst heweglich-rhythmisch und mit sprÜhendem Tcmpermnent gelisl: 111 Varianten innerhalh seiner stilistischen Entwicklung von einer zeitweilig sei dichten, gehautelf Verzahnung des FormenMPul1lcs 1U einer immer locken ren, offeneren Bildordnung, von der homogt=nen Farhfhkhe zur strukturil' ten, in der Pinselgeste aufgehrocheneil.
In der Zeit einer schon sehr geschmeidigen, differenzierten Gliederung dl scheinhar collagenhaft ausgeschnittenen, doch in Anyl geTnallcn BildeI, mente entstlllul Otmar Alts Oemiilde "Das I.ehen dnes Pianisten", das ,I Vorlage für diese (iraphik diente. Sie ist eine Knmhhllllion aus Offsetdnlt und Serigraphie, die Ottnar Alt autorisierle und deren Druck er seih überwachte. In dem Thema greif! der Künsller zurück auf ein ihn offenh, immer noch bewegendes persÖnliches Erlehnis wiihrend seiner Studenten1Cl Oamals spielte Otmar All. jlingster Sohn eines alls BUl111au in Schlesil st~lmmenden Studienrats fiir Musik, des Komponisten und Organisten Rmll Alt, in der Studentenhnl1d "Selfworkers" Klarinette und Saxophon. Hatte, doch zunächst sogar mit dem Gedanken geliehÜugelt. Musik zu studieren. ! erinnert sich: "Wir machten auf großen Studcntenhällcn eine sehr lustip laute Musik. Das war in der .1:17.1- und Swing-Zeit."
Unsere Graphik isl ein hildhaft verschliisseltes. hintergrÜndiges "PortrÜ, des Pianisten der Rand, der sich, wie Alt erziihlt. immer in den Vordergnll spielen wollte, ohwohl er nur Begleite!" war. "Fr war zu gut und wurde VI uns immer etwas kur1 gehalten, weil sonst die amieren keine Chancen geh;! hätten." Dieser tragikomische Zwiespalt komml - vor strahlend hlnul' Hintergrund ~ in der jilTluskÖpfigen Silhouctlc mil zwei Gesichtern Zll Ausdruck, die die Elfenheinfarhe von Klaviertaslen hat. Das eine wh geltungsbedürf!ig (Alt: "Er wollle sich immer in Szene selzen") 11I emphatisch. Doch dilS HlasinstTllI11Cnl im Mund ist gehrochen, und SI zweites Gesicht Hilh seine grollende Verhitlel"l1l1~, sein heleidigtes Seihst!' flihl und Gekriinklhcit erkennen.
Dieser zwiespältige existentielle Befund wird grotesk Hpostrophiert dlll, dns verschnÖrkelte, spiralige SdmcckenhausMAugc, das lugleich auf d, gezwirhelten Schnurrhart des Pianisten anspielt. AIU:h an einen Violinschli sei oder den Halswirhel eines Saiteninstrumentes kÜnnte man denken, III tiher dliS triumphale locke11M oder hllhnenkammmlige Clehilde Üher dem Kt, mit dem orangefl1rhigen Ornament kann sich jeder Betrachter seine eigen. Gedanken machen. Der Kopf sitzt auf einem ehcnholzsehwnrzen Eleml.'l (hiS an ein Klavier. einen Fhigel gemahnt. Der Schnahel des leicht Iyris gestimmten weiHen Vogclwesens unten verweist <1uf ein wcitercs Charukll" stikum der Physiogllt)mie unscres Pianisten: seine Ilrlkcnnasc. Und auch I1 an ein stacheliges Kaktusgewik'hs gemahnende, rot gepunktete grÜne Tu gehÖrte l·U ihm. Es konlr:.lsticrt in seinemll1s1igen Muster zu den iiherwiege, homogenen glatten Farhfliichen.
Die ganze kraftvoll und kiihn entworfene Komposition dieses originell Pianisten-Porträts steckt voller explosivt'r iiherspannter Dynllmik. Grote:.' und Tragik, Ernst und Ironie sind da unmiltelhar verzahnt: man erkelll Otl1liU Alt macht es sich nicht so leich!, wie man auf' den ersten Blick meil Ariadnes Faden führl hinter die Kulisscn seiner Puz1Ic-Lahyrinlhe. Alt: "I) Funken muß der Belrachte.- skh erarhci1cn. his er iihcrspringt. Die Mensch wollen den Glückszust;lIul immer sehr schlU.'1I haht'n. Dll muß man gegensh ern. Hilder sind Mitteilungen. fordern zum Dialog mit ihnen heraus. Sie hah Oefiihl, Herz, Lehen. Jeder l11ul. sein eigenes Bild herausfinden, als eine t' Lehenspartner, Üher den man sich lltldl, enlsprc(:hcnd seinen eigen wechselnden Stimmungen. frellen ()(kr Ürgern kann."
Zwei der drei Geschwister des KÜnstlers sind im Krieg gefallen. Fahi. sein einziger Sohn, U11d seine ersle Frau "Pinguin" starhen kurz hinterein;, der, Nun ist er mit Clundi verheirate I und leht mit ihr in einer ausgehalli allen St'hellne HUf" dem Land in Weslfalen. Auf Fdd lind Wiese hat er sei fl'Öhlichcnl)lastikcn aufgestellt, Seine Meinung: "Auch wo nur Ackerkl-ul ist und hei einem herhen, dcftiJ!en, wortkargen Menschenschlag knnn 111 Kunst ~lI1regen. Ich madle lieher dort etwas. wo mnn sich schwerlUt." Red die Stadt, in der All 27 .Jahre Iehte, vermillt er nielli. In der Dorfschmi, arheitet er an Plasliken und Brunnen. Seine nellen erdigen Braun- u GrüntÖne hahen ,'ich (leI' Umgehung angcpal.l.
FÜr eine Ausstellung in der Mannheill1er Kunstlwllc hereitet der Künsl in mehrteiligen Bildern SpÖkenkiekerhaftes vor, Geschichlen aus Wes1flll lind anderswoher, Vergan~encs und lleutiges, Auch hei (>tI11i1r ·AIl, auf dCI, den letzten .lalncn wieder zahlreiche ilffcntlkhe und private Allftriil darunter Wand!"elicfs und Springhrunnen, 7.lIkillHen, der Kinderhiicher il strierte, EntwÜrfe für Schmuck kreierte, ht'i dem •. Mann aus dem I{o Grütze-Land" (so der Titel eines 19H2 ühCl" ihn gedrehten Films) ist ,11 heute noch alles Wesentliche in seincr Kunst Auseinanderset7.ung mit sich 11 der Welt -- auf seine All. Yl'lnme Frietlri,



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